Nachlese 2011

on 12 31, 2011

 

Man mag nicht wirklich glauben, man könnte der einzige sein, den dieses Jahr ratlos zurücklässt und ungläubig staunend und wundernd sich die Augen reibend ob der seltsam unwirklichen Ereignisse, die sich jedem gedanklichen Ordnungssystem beharrlich verweigern, so sehr man die Bilder auch in seinem Kopf hin und her schiebt, bald neu verknüpft und wieder aufdröselt, um alles neu zu mischen und von vorne zu beginnen.

Da erzählt ein Baron eine Münchhausen-Geschichte nach der anderen, dass sich die fränkischen Balken nur so  biegen und demontiert neben seinem Ruf ganz en passant noch gleich den deutscher Hochschulen mit, die Doktorarbeiten anscheinend ungelesen durchwinken, wenn einer zwar intellektuell, jedoch nicht materiell zu den bildungsfernen Schichten gehört. Dem Internet sei Dank führt allzu freche Plagiaterie dann aber doch noch zur ministeriellen Demission und zur Reise des Plagiatoren nach Amerika sowie zur alsbaldigen Rückkehr desselben als reuigen Helden in der Rolle des europäischen Wächters über die Freiheit des Internets – und all das innerhalb des selben Jahres. Also mal unter uns: so einen Plott glaubt einem kein Verlag und kein Filmstudio.

Außerdem abhanden gekommen sind dieses Jahr ein Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomenergie, die Wehrpflicht, mehrere nordafrikanische Despoten, ein italienischer Ministerpräsidentendarsteller und mehrere weitere europäische Regierungschefs, sowie ein Terroristenchef, auf dessen Konto mehrere tausend Tote gehen. Dass das Land, aus dem diese Opfer sind, dies zum Anlass nahm, ein anderes Land, das mit diesen Anschlägen nichts zu tun hatte, zu überfallen und dabei mehrere tausend Soldaten der eigenen Armee sowie hunderttausend Opfer unter der Bevölkerung des angegriffenen Landes verursachte, sollte, finde ich, nicht auf einem anderen Blatt stehen – ebenso wiederum wie die Tatsache, dass der Tod des Diktators dieses angegriffenen Landes natürlich kein Verlust ist, was aber nicht entschuldigt, dass dieser völkerrechtswidrige Angriff oder Überfall erst dieses Jahr endete.

Fast abhanden gekommen wäre ein Bundespräsident, eine FDP und eine europäische Währung. Die Tage fand ich beim Aufräumen eine D-Mark. Ich hebe sie mal auf.

Geblieben ist uns das Märchen von der Systemrelevanz der Banken, die Legende von der Allmacht der Märkte, der jegliche Vernunft vernebelnde Wachstumsglaube und das vollständige Versagen der Politik, das nun schon bald dreißig Jahre währt. So lange ist es notabene auch her, dass die Proteste gegen die Startbahn West begannen.

Bekommen hat man das Gefühl, dass Dinge in Bewegung kommen. Bewegung brachte eine Partei, die sich “die Piraten” nennen, eine Bewegung, die sich “Occupy” nennt, ein Platz, der Midan al-Tahrir heißt, was übersetzt Platz der Befreiung bedeutet – und eine Bewegung, die noch keinen Namen hat, aber immerhin schon einen Gegner: die Wahlfälscher und Demokratiefeinde in Russland.

Was war noch? Ein Wegzug, ein Umzug ein Zuzug und einer der ersten Gänge zum REWE um die Ecke:

Während eine Mutter die Einkaufstasche bis obenhin vollpackte, saß ein kleiner Junge im Einkaufswagen und fing spontan an, seinem Unmut über irgend etwas mit lautstarkem Quengeln Ausdruck zu geben.

Kurzerhand herrschte ihn die Mutter laut an: Ey Mann, chill ma für’n Moment!

Logbuch aus Offenbach, Sternenzeit: Sommer 2011.

Dann war da noch der Kreuznacher Jahrmarkt. Während des Feuerwerks rief eine junge Zuschauerin erstaunt in den funkelnden Raketennachthimmel: boah, voll 3-D!

Außerdem gab es neue kulinarische Dinge zu erlernen wie zum Beispiel das Backen von Nussplätzchen, das richtige Braten von Zwiebeln und Leber und die Herstellung von Kohlrouladen und Bayrisch Kraut. Es fand sich sogar die Zeit für einen Orangenkuchen und einen Schokoladenkuchen sowie für einen Besuch auf dem Offenbacher Weihnachtsmarkt und für einen Kurzbesuch in Frankfurt, bevor es für das Weihnachtsfest nach Hause ging.

Man darf gespannt sein, was als nächstes anliegt.

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