Die Begegnung des
Menschen mit einem Buch ist stets ein Erlebnis, das alle Sinne
beansprucht. Man entdeckt ein Buch, schaut es an, nimmt es in die Hand,
betrachtet es von allen Seiten, spürt sein Gewicht, fühlt seine
Beschaffenheit, blättert darin und hört das Rascheln des Papiers, sein
Duft steigt einem in die Nase und – vielleicht – beginnt man, darin zu
lesen.
Zumindest in den
hochentwickelten Ländern gehört der Umgang mit dem Buch bereits in der
frühen Kindheit zu den allgemeinen Lebenserfahrungen. Angefangen beim
reinen Bilderbuch über das Kinder- und das Schul- und Sachbuch bis hin
zu Fachbüchern und literarischen Werken wie Gedichten, Kurzgeschichten,
Novellen, Erzählungen, Romanen und Dramen begleitet uns dieses Medium
zuverlässig bei dem Bemühen, unseren Platz in der Gesellschaft zu
finden, die Welt besser zu verstehen und Wissen zu erwerben.
Auch im 21.
Jahrhundert ist das Buch die wesentliche Basis für das Wissen einer
hoch entwickelten Gesellschaft. Bis zum heutigen Tag ist das Buch als
einziges Medium in der Lage, die Speicherung und Abrufbarkeit von
Informationen und Wissen nachweisbar über einen Zeitraum von
Jahrhunderten zu gewährleisten. Außerdem bedarf es keines anderen
Hilfsmittels zur Entschlüsselung der Informationen als lediglich der
Kenntnis des Codes, der geschriebenen Sprache und des Verständnisses
derselben.
Mit dem Siegeszug
der Digitalisierung von Informationen und ihrer damit einhergehenden
Verbreitung durch das sich rasant entwickelnde Internet geriet die
Druckindustrie und damit auch der Markt für Bücher in stürmische
Gewässer. Während Sachbücher, die sich beispielsweise mit dem Umgang
mit den neuen Technologien befassten, reißenden Absatz fanden, sank die
Möglichkeit für geisteswissenschaftliche und belletristische Autoren -
zumal, wenn sie nicht bereits bekannt waren -, ihre Werke zu
veröffentlichen, da sich das Interesse und damit das für Mediennutzung
zur Verfügung stehende Freizeitkontingent eines immer größer werdenden
Teils der Kunden mehr und mehr auf elektronische Medien verlagerte und
Verlage, die sich nicht rechtzeitig umstellten, zunehmend auf ihren
Produktionen sitzenblieben.
Große Verlage
verdienen heute viel Geld im Lizenzgeschäft - „Harry-Potter“-Bücher,
Werke von John Grisham oder Henning Mankell sind eine sichere Bank. In
der aktuellen „Spiegel“-Sachbuch-Bestsellerliste finden sich allein
drei Bücher von Joseph Ratzinger, besser bekannt als Papst Benedikt
XVI. Bekannte Namen sorgen für reißenden Absatz. Junge unbekannte
Autoren, Dichter, Denker und Publizisten jedoch haben es bislang
zunehmend schwer, sich auf dem deutschen Buchmarkt zu etablieren, da
gerade kleine und mittelständische Verlage sich in einem harten
Konkurrenz- und Überlebenskampf befinden und angesichts hoher Kosten,
für die sie bei einer Buchproduktion in Vorlage treten müssen, und
eines unsicheren Absatzes auf dem deutschen Buchmarkt, das Risiko
scheuen.
Eine offene,
demokratische und pluralistische Gesellschaft lebt von der Vielfalt
veröffentlichter Erkenntnisse, Ansichten und Standpunkte.
Gesellschaftliche und ökonomische Prozesse gewinnen Dynamik durch
Inspiration, durch neue Ideen, durch Querdenker, Neu- und Andersdenker
– der „Mainstream“ war es selten, der die entscheidenden Impulse für
Aufschwünge in der Zukunft setzte. Vorbild kann uns Johannes Gutenberg
sein, der vor gut 500 Jahren mit innovativer Technik die
Voraussetzungen schuf, dass das Werk eines Querdenkers wie Martin
Luthers Bibelübersetzung (1) aus dem Griechischen und Lateinischen ins
Ostmitteldeutsche rasch große Verbreitung finden konnte und die
Grundlage für das heutige Hochdeutsch bildet.
Eine besondere Form
der Buchproduktion unter Nutzung modernster Technologien zur
Herstellung von Büchern sowie der Markt und die Chancen und Grenzen für
diese Produkte und ihr Zukunftspotential sollen Gegenstand der
vorliegenden Technikerarbeit sein. Es nennt sich „Book on Demand (BoD)“.
II. Die Technologie
a. Definition
Ein Buch in der
Auflage 1 auf Abruf zu drucken und zu verkaufen, sobald der Leser, der
Kunde danach verlangt: das ist, auf den Punkt gebracht, „Book on
Demand“ (BoD).
Das „Zauberwort“
für die Entwicklung von BoD heißt „Digitalisierung“, und das Vorliegen
von Informationen in digitaler Form ist Voraussetzung für BoD. Enorme
technologische Sprünge im Bereich der Software-Entwicklung und der
Datenträger, der Datenbe- und verarbeitung, der Prozesssteuerung, der
digitalen Druckvorstufe, dem Digitaldruck sowie der
Druckweiterverarbeitung und intelligente Lösungen zur Verknüpfung all
dieser Bereiche erst ermöglichten Book on Demand.
b. Technik
Eine Schlüsselrolle
spielt dabei der Digitaldruck. Im Gegensatz zu allen anderen
Hauptdruckverfahren entfällt beim Digitaldruck die Erstellung einer
statischen Druckform. Außerdem liegen alle Informationen, die auf den
Bedruckstoff übertragen werden sollen, bis zur Ausgabe ausschließlich
in Form digitaler Daten vor. Dies sind wesentliche Voraussetzungen zur
Erstellung eines Buchblocks in einem Prozessschritt – also: der
Inline-Fertigung.
c. Digitaldruck
Um Book on Demand
sinnvoll und ökonomisch zu realisieren, bedarf es als Grundlage eines
Verfahrens, das in der Lage ist, jeden einzelnen Druck mit einem neuen
Inhalt zu versehen. Dafür bietet sich ein Druckverfahren an, das in den
vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus des Brancheninteresses
gerückt ist: der Digitaldruck.
Führte dieses
Druckverfahren noch vor gar nicht allzu langer Zeit ein von der Druck-
und Medienbranche eher belächeltes Schattendasein als Bestandteil der
Bürokommunikation mit Fax-Geräten, Kopierern und Druckern, hat es allen
Unkenrufen zum Trotz in den letzten Jahren einen rasanten Aufschwung
erfahren. Dies ist enormen Fortschritten bei der Generierung größerer
und schnellerer Datenbanken, der Umsetzung des digitalen Workflows, der
Fortentwicklung bestehender Technologien, der Einführung von
Innovationen durch Software-Entwickler, Hersteller von Druck- und
Weiterverarbeitungs-Apparaten und Fabrikanten von Bedruckstoffen und
Druckfarben zu verdanken. Auch Bildungsstätten wie die Hochschule der
Medien in Stuttgart oder die Bergische Universität Wuppertal nahmen und
nehmen sich des Themas intensiv an. Entscheidend für die Durchsetzung
dieses Verfahrens jedoch war und ist die Akzeptanz durch den Kunden,
seine Zufriedenheit und die Bedienung seiner Wünsche. Dass sich hier
ein Wandel bei den Bedürfnissen und im Verhalten des Kunden eingestellt
hat, ist sicher auch seiner gestiegenen Kompetenz im Umgang mit neuen
Kommunikationstechnologien zuzurechnen – als Beispiele mögen hier
zunächst die großflächige Versorgung der Haushalte mit Personal
Computern und die flächendeckende Einführung des Internets reichen.
Wie stark das
Interesse an diesem noch jungen und den Kinderschuhen gerade erst
entwachsenden Druckverfahrens ist, ließ sich spätestens während der
Drupa 2004 (2) beobachten, wo eine Vielzahl von Herstellern und
Software-Entwicklern mit ihren neuen Produkten auf reges Interesse
stießen. Auch die Buchmesse (3) in Frankfurt im gleichen Jahr brachte
die Themen Digitaldruck und Book on Demand großflächig in ihren Hallen
unter. Anfang November dann fand in Sinsheim die Messe „Druck+Form“ (4)
statt – auch sie stand ganz im Zeichen des Digitaldrucks und widmete
sich diesem Thema ausführlich. Und zu Beginn dieses Jahres schließlich,
am 21. März 2005, veranstaltete die Johannes-Gutenberg-Schule in
Stuttgart ein Digitaldruck-Symposium (5), das hochkarätig besetzt und
gut besucht war. Dass der Digitaldruck in der Druck- und Medienbranche
inzwischen sehr ernstgenommen wird, zeigt auch der Umstand, dass mit
der Neuordnung der Drucker-Ausbildung jetzt neben dem Flach-, dem Tief-
und dem Hochdruck ebenso der Digitaldruck zu den Hauptdruckverfahren
gezählt wird und seit dem Sommer 2000 als Fachrichtung für die
Ausbildung gewählt werden kann.
Charakteristisch
für den Digitaldruck ist, dass er sich, im Gegensatz zum Hoch-, Tief-,
Flach- oder Durchdruck nicht über seine Druckform definiert. Der Grund
dafür ist recht einfach: im echten bzw. dynamischen Digitaldruck gibt
es keine permanente Druckform mehr. Der Anpressdruck der Druckform auf
dem Bedruckstoff spielt daher nur noch eine untergeordnete Rolle.
Deswegen wird der Digitaldruck auch als NIP-Druckverfahren (NIP =
Non-Impact-Technologien) bezeichnet.
d. Book on
Demand (BoD) ≠ Print on Demand (PoD)
Der Digitaldruck
hat einen neuen Markt geschaffen – das Schlüsselwort dafür ist Print on
Demand (PoD). Print on Demand bedeutet, dass Druckprodukte lediglich in
Form digitaler Daten vorliegen und erst bei Bedarf gedruckt werden.
Print on Demand (PoD) und Book on Demand (BoD) werden oft synonym
verwendet, was allerdings nicht ganz richtig ist, da Bücher eben nur
eine Teilmenge aller Printprodukte und zudem besonderen Bedingungen
unterworfen sind. Im weiteren Verlauf dieser Technikerarbeit soll
deswegen auch speziell der Bereich des Book on Demand betrachtet werden.
e. Standards
Digitale Daten
lassen sich aus vielen professionellen wie semi-professionellen
Software-Anwendungen heraus erstellen. Um möglichst rationelle und
fehlerfreie Produkte zu generieren und Konvertierungsprobleme zu
vermeiden, kristallisieren sich im Bereich des Print on Demand
inzwischen Bemühungen heraus, Standards für die Be- und Verarbeitung
digitaler Daten zu schaffen. Denn ein sinnvolles Datenmanagement ist
nur mit Hilfe einer medienneutralen Datenbank möglich. Dabei spielen
das plattformunabhängige Dateiformat Portable Document Format (PDF) von
Adobe Systems sowie Extensible Markup Language (XML) (6), ein
internationaler Standard zur Schaffung von Dokumenten, die sowohl von
Maschinen als auch von Menschen gelesen werden können, eine
entscheidende Rolle.
f. Viele Wege
führen nach Rom
Versuche, die
Digitalisierung der Drucktechnik in Druckverfahren mit fester Druckform
zu realisieren, gab es viele. Angefangen von der Ausgabe der Daten –
erst in ganzen Seiten, dann sogar bis zum Bogenformat - auf
Computer-to-Film (CtF) über die Bebilderung der Druckplatte durch
Belichter-Technologien auf Computer-to-Plate (CtP) bis in zur direkten
Bebilderung der Druckformen in der Druckmaschine, dem sogenannten
Computer-to-Press. Hier seien als Beispiele die „Dicoweb“ von
MAN-Roland, die „74 Karat“ von KBA sowie die „GTO-DI“ der Heidelberger
Druckmaschinen AG genannt (die Produktion der GTO-DI ist inzwischen
eingestellt). Alle diese Technologien haben in bezug auf
„Book-on-Demand“ jedoch einen entscheidenden Nachteil: ihre feste
Druckform, die eine sinnvolle Realisierung eines Produktes mit der
Auflage 1 unmöglich macht.
g. Digitaldruck
„in echt“ = Auflage 1
Zwei andere
Verfahrenstechniken allerdings haben sich für die Umsetzung der Idee
des Book on Demand als sehr erfolgversprechend erwiesen. Es handelt
sich dabei zum einen um das sogenannte Computer-to-Print-Verfahren, bei
dem das Druckbild mittels Ionografie, Magnetografie oder
Elektrofotografie durch Pulvertoner oder Flüssigfarbe über eine
temporäre Druckform auf den Bedruckstoff übertragen wird, und zum
anderen um das sogenannte Computer-to-Paper-Verfahren, das das
Druckbild ohne Umweg über eine Druckform mittels Thermografie oder
Ink-Jet-Verfahren auf den Bedruckstoff überträgt. (7) Was allerdings
die Druckqualität anbelangt, so können diese Druckverfahren – noch –
nicht mit „herkömmlichen“ Druckverfahren mithalten, da die mögliche
Auflösung der zur Zeit auf dem Markt befindlichen rein digitalen
Drucksysteme mit 400 dpi bis 1200 dpi nicht an die Qualität des
Offsetdrucks heranreicht, die beispielsweise bei der Heidelberger
Quickmaster DI-46-4 mit einer Auflösung von bis zu 2540 dpi angegeben
wird. Eine zwar nicht mehr ganz neue, aber als Orientierung dennoch
taugliche Übersicht hält das Hanauer Institut für rationale
Unternehmerführung in der Druckindustrie (IRD) auf seiner Website
bereit (8).
h. Hersteller
Als führend im
Marktsegment BoD sind hier vor allem die Unternehmen IBM, Kodak
Nexpress, Océ (9), Xeikon (10)und Xerox (11)zu nennen, die in
Kooperationen mit verschiedenen Herstellern von
Weiterverarbeitungs-Modulen in der Lage sind, Produktionsstraßen
aufzustellen, die die komplette Inline-Fertigung (Finishing) eines
Buchblocks in Schwarz/Weiß wie auch in Farbe – und, im Falle von Xeikon
oder Indigo Nexpress, sogar mit zusätzlichen Sonderfarbwerken -
ermöglichen. Überdies entwickeln diese Unternehmen – zum Teil in
Kooperationen mit anderen Software-Herstellern – eigene Lösungen zum
Umgang mit digitalen Daten und zur Entwicklung digitaler Workflows.
Darüber hinaus nutzen und entwickeln sie Standards der Datentechnik
mit. Firmen wie IBM, Océ oder Xeikon finden sich beispielsweise in der
Mitglieder-Liste des CIP4-Konsortiums (12) wieder, das für die
Spezifikation und Dokumentation des Job Definition Formats (JDF), einem
offenen, auf XML basierenden Dateiformat zum Datenaustausch zwischen
unterschiedlichen EDV-Systemen, zuständig ist. Das Front-End „Swift“
der Xeikon 5000 wird in der zweiten Version „... über die volle
JDF-Unterstützung verfügen. In der heutigen Version funktioniert Swift
noch mit einem eigenen Job-Ticket-Format, das auf XML basiert.“ (13)
Der Markt für
Digitaldrucksysteme unterliegt einem ständigen Wandel – einige Systeme
verschwinden wieder vom Markt, andere behaupten sich. Unternehmen, die
technologisch up-to-date bleiben (das gilt auch und besonders für
kleine und mittlere Unternehmen der Zuliefererindustrie und der
Weiterverarbeitung), werden die Nase vorn behalten. Einfluss auf die
Zukunft dieses Marktes dürften auch veränderte Marktallianzen haben. So
wurde zu Beginn des Jahres 2005 die Übernahme des Aktienpaketes der
kanadischen Softwareschmiede Creo durch Kodak bekannt. Dadurch steht
wiederum das Unternehmen Xerox vor einer vollkommen neuen Situation, da
Xerox bislang sowohl mit Kodak als auch mit Creo sowohl auf dem Gebiet
der Technologie als auch dem des Vertriebs in wichtigen Bereichen
wechselseitig verbunden ist (14), wie das Magazin „Value“ zu berichten
weiß.
i.
Weiterverarbeitung
Auch und gerade auf
dem wichtigen Feld der Weiterverarbeitung und der Veredelung direkt
nach dem Druck hat sich eine ganze Menge getan. Rückstich- und
Fadenheftung, Klebebindung und die Zusammenführung des Buchblocks mit
dem Umschlag sind inzwischen inline, d. h., in einem Produktionsgang
möglich. Eine große Anzahl größerer und kleinerer Unternehmen sorgen
hier in den letzten Jahren mit immer neuen Modul-Entwicklungen für
Digitaldruckmaschinen sowie verbesserten Materialien für ein stetig
wachsendes Angebot an Variationsmöglichkeiten des Produktes „Buch“
innerhalb des Workflows im Digitaldruck (15).
III. Der
Markt
a. Anbieter
Mit dem Wegfall von
Strukturen, Traditionen und Konventionen, alten Gewohnheiten und
Gewissheiten und einer zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft
hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte das Konsumentenverhalten
deutlich verändert. Die Druck- und Medienindustrie, stets zugleich
besonders unmittelbar betroffen wie aber auch profitierend und durch
innovative Ideen und technologische Entwicklungen mitunter sogar Motor
solcher gesellschaftlichen Entwicklungen, sah und sieht sich in diesem
Wandel des Marktes enormen Herausforderungen gegenüber und hat bis in
die jüngste Vergangenheit hinein vielfach bewiesen, dass sie sich auch
in Zeiten tiefgreifenden Wandels zu bewähren versteht und nach wie vor
in der Lage ist, auch auf gravierende Marktveränderungen zu reagieren,
indem sie neue Technologien aufgreift und moderne Problemlösungen für
ihre Kunden bereithält.
Eine solche
Herausforderung ist der noch recht neue und sich dynamisch entwickelnde
Markt im Bereich „Book on Demand“. Dieses Kapitel soll deshalb einen
Einblick in die Chancen und Möglichkeiten dieses Marktes bieten.
Beschrieben werden hier exemplarisch Konzepte, Strategien, Tendenzen,
Anbieter und Kooperationen.
Book on Demand
(BoD) fußt auf dem Prinzip, dass ein Buch erst dann produziert wird,
wenn der Kunde oder Konsument es bestellt hat. Aus diesem so einfachen
wie revolutionären Gedanken heraus entwickelten sich seit Ende der
Neunziger Jahre eine Reihe unterschiedlicher Geschäftsmodelle und
Produktideen. Hatte man noch zu Beginn der Einführung digitaler
Drucktechniken vor allem die mögliche Personalisierung im Auge, also
beispielsweise das Versehen standardisierter Produkte mit individueller
Anrede, persönlichem Namensaufdruck etc., wandte man sich mit den
gestiegenen technologischen Optionen mehr und mehr den Chancen der
Individualisierung des gesamten Produktes zu – zunehmend geriet der
Inhalt des Werkes selbst (neudeutsch: Content) in das Zentrum des
Interesses. Und in der Tat: die Chancen, die sich in diesem Markt
bieten, scheinen recht groß zu sein.
In ihrer
Diplomarbeit „Die Individualisierung von Inhalten mittels PoD als
Chance für den Buchverlag“ (16)aus dem Jahr 2001, die übrigens als
gleichnamiges Buch im Unternehmen Books on Demand, Norderstedt
hergestellt wurde, beschäftigt sich die Medienwirtschaftlerin Ute Nöth
auch mit den Anfängen der digitalen Buchproduktion. Demnach war das
erste kommerzielle Produkt „Das persönliche Buch zum Millenium“, das
das Unternehmen B.I. & F.A. Brockhaus (BIFAB) in Kooperation mit
den Firmen Digital Druck GmbH (die sich seinerzeit selbst größter
digitaler Buchproduzent Europas nannte [mit damals ca. 30000
produzierten Büchern/Monat] (17)), dem Internet-Shop INT und IBM
produzierte und „von November 1999 bis August 2000 über die Website
www.brockhaus.de und www.buecher.de vertrieben wurde.“ Dieses Beispiel
soll zum einen die Frische des vorliegenden Themas belegen und zum
anderen die oft erstaunlichen Projekt-Kooperationen zwischen
unterschiedlich großen Unternehmen aus den verschiedensten Branchen
zeigen, die durch Kompetenzbündelung am Ende zu erfolgreichen
Ergebnissen führen. Das 124 Seiten starke Produkt „Das persönliche Buch
zum Millenium“ verkaufte sich zu einem Preis von 29,80 DM annähernd
3000 mal und führte zu vier weiteren ähnlich gelagerten Produkten, die
auf die gleiche Weise produziert wurden. (18)
1. www.bod.de &
Libri Holding GmbH
Das vermutlich
ausgereifteste Geschäftskonzept mit einem überzeugenden Angebot und
einem hervorragenden Internet-Auftritt findet sich bei einem Pionier
des Book on Demand – es handelt sich dabei um das Unternehmen „Books on
Demand GmbH“ aus Norderstedt mit ihrer Website www.bod.de.
1997 als
Marketing-Konzept entwickelt, wurde die Idee „Books on Demand“ bereits
1998 mit der Veröffentlichung des Paperbacks "Die Verfassung der freien
und Hansestadt Hamburg - eine kommentierte Fassung" realisiert (19).
Ende 1999 konnte man die Veröffentlichung des 1000. Titels feiern und
ein halbes Jahr später bereits begann man mit der Produktion von
On-Demand-Hardcover-Ausgaben. Bis dahin als BoD-Projekt geführt,
entstand daraus ab dem 1. Januar 2001 das Unternehmen Books on Demand
GmbH als Tochterunternehmen des Buchgroßhändlers Libri Holding GmbH aus
Hamburg. Inzwischen wurden über 11000 Titel bei „Books on Demand GmbH“
veröffentlicht.
Die Produktpalette
reicht inzwischen vom einzelnen Digital-Farbbuch on Demand über farbige
Faksimile-Drucke bis zu gebundenen Büchern mit kaschiertem Einband, mit
geradem oder rundem Buchrücken und Leseband – in schwarz/weiß und mit
einzelnen Farbseiten oder komplett in Farbe – und dies alles ab der
Auflage 1. Auf der Frankfurter Buchmesse 2004 konnte man sich von der
Qualität dieser Produkte am Stand des Unternehmens überzeugen.
Innovativ ist aber nicht nur das technologische Konzept, das in
Zusammenarbeit mit Xerox entstand.
Auch das
selbstverständlich nicht kostenlose Dienstleistungsangebot für
angehende Autoren im Bereich der fachlichen Betreuung (z. B. e-Book-,
Layout- und Lektoratsservice) und des Marketings sowie die durchaus
überschaubaren Kosten für die Produktion und Veröffentlichung sind
vorbildlich. So ist beispielsweise im kostengünstigsten Angebot (für
aktuell 369 Euro) die Erstellung eines digitalen Druckmasters, die
Katalogisierung für den Buchhandel und eine Internationale
Standard-Buchnummer (ISBN) enthalten. Ein Online-Preiskalkulator (20)
sorgt zum einen für die notwendige Kostentransparenz und rechnet
gleichzeitig die Selbstkosten für den Autor aus - immer abhängig von
Ausführung und Auflage des gewünschten Produktes.
Als weiterer
Vorteil für Autoren ist der Umstand zu nennen, dass ihre Titel sowohl
ins Barsortiment des Mutterunternehmens Libri GmbH als auch in das
Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) aufgenommen wird, wenn eine ISBN
über das Unternehmen Books on Demand GmbH bezogen wurde – was bedeutet,
dass ein solcher Titel jederzeit über den Buchhandel erhältlich ist.
Seit dem 1. Juli 2004 haben die Libri GmbH und die Books on Demand GmbH
zusätzlich eine Remissionsmöglichkeit für BoD-Titel eingeführt. Darüber
hinaus sind alle bei bod.de erschienen Titel auch über amazon.de
erhältlich. Da jedoch ein Buch erst nach Eingang einer Bestellung
gedruckt wird, wenn der Autor keine Vorauflage produzieren ließ oder
die gedruckte Auflage bereits vergriffen ist, kann es bis zur
Auslieferung an den Kunden 1 – 2 Wochen dauern, bis das Produkt beim
Kunden ankommt.
Darüber hinaus
bietet die „Books on Demand GmbH“ ihr Dienstleistungsangebot
beispielsweise Unternehmen für die bedarfsgerechte Produktion von
Handbüchern, Dokumentationen und Gebrauchsanweisungen an. Auch Verlagen
steht diese Möglichkeit offen, um beispielsweise Reprints oder
Nachauflagen zu produzieren – vergriffene Titel gehören damit der
Vergangenheit an. Zu den Kunden gehören denn auch renommierte
Unternehmen wie beispielsweise der Weinheimer Beltz-Verlag.
2.
Beltz-Unternehmensgruppe
Die
Beltz-Unternehmensgruppe geht allerdings inzwischen vermehrt eigene
Wege im Bereich Book-on-Demand. Über die Druckpartner Rübelmann GmbH in
Hemsbach, einem Schwesterunternehmen des Druckhauses Beltz, das
wiederum zur Gruppe der Beltz Grafischen Betriebe gehört, werden die
Vorzüge des Digitaldrucks inzwischen erfolgreich genutzt, um unter
anderem die eigenen Produkte des Beltz-Verlages nach dem
Book-on-Demand-Prinzip zu produzieren.
Diese Strategie
liegt gerade im Fall der Beltz-Unternehmensgruppe nahe, da sie seit
vielen Jahrzehnten sowohl auf dem Gebiet des Verlagswesens als auch als
traditionsreiches Druckunternehmen auf dem Markt erfolgreich sind.
Damit sind sowohl ein Zuwachs an Kernkompetenz und innovativer Technik
sowie Synergie-Effekte in der Unternehmensgruppe verbunden – und dieses
Beispiel könnte durchaus Schule machen. Denn nach Angaben der
firmeneigenen Website arbeitet das Unternehmen bereits ab einer Auflage
von 200 bis 300 Stück wirtschaftlich (21).
Während eines
Gespräches mit dem Betriebsleiter der 1989 gegründeten Spezialdruckerei
für Kleinauflagen, Druckpartner Rübelmann GmbH, Herrn Heinz Ruhl, auf
der Buchmesse 2004 zeigte dieser sich jedenfalls erstaunt darüber, dass
nicht deutlich mehr Verlage die Möglichkeiten des Digitaldrucks und von
Book on Demand nutzen.
Eine – allerdings
nicht repräsentative – Online-Umfrage (22) von Ute Nöth aus dem
Frühjahr 2001 unter den jeweils 100 größten per E-mail erreichbaren
Verlagen und Buchhandlungen ergab in diesem Zusammenhang das
tendenzielle Bild, dass sich Verlage in ihrer Mehrheit noch gar nicht
oder ungenügend mit dem Thema Book on Demand beschäftigt hatten. Dabei
muss allerdings berücksichtigt werden, dass der Schwerpunkt der Umfrage
auf dem Individualbuch lag, dessen Charakteristikum es ist, dass der
Content vom Kunden aus verschiedenen Quellen zusammengestellt und
speziell für ihn gedruckt wird. Probleme der medienneutralen
Verfügbarkeit von Daten sowie Fragen des Urheberrechtes und die
Abrechnung der Ansprüche von Autoren, Rechte-Inhabern und anderen an
diesem Prozess Beteiligten spielen dabei eine besondere Rolle.
3. Bertelsmann
Media on Demand
Dass gerade für
große Verlags-Unternehmen mit einem riesigen Reservoir an Content das
Individualbuch-Prinzip im Book on Demand eine lukrative Angelegenheit
werden könnte, erkannte auch Bertelsmann und bietet seit Ende des
Jahres 2000 in der als Tochtergesellschaft gegründeten Bertelsmann
Media on Demand (BMoD) in Gütersloh „individualisierte und
personalisierte (PoD-)Buchprodukte an“ (23). Den Anfang machten im Jahr
2000 ein Kalender mit eingedruckten persönlichen Daten sowie
Geschenkbücher mit personalisiertem Umschlag und einem individuellen
Vorwort. Inzwischen ist die Produktpalette wesentlich umfangreicher
geworden und um die Produktion beispielsweise von Vorabexemplaren,
Nachauflagen, Großschrift- und Individualbüchern, Seminarbüchern und
individuellen Reiseführern erweitert worden (24). Außerdem bietet das
Unternehmen vom Verlags-Service mit Autorenberatung, Lektorat, einem
eigenen Herstellservice, einem Vertrieb und einer Literaturagentur,
über ein Daten-Management, das die Digitalisierung über eine
medienneutrale Datenbank zur Individualisierung und Personalisierung
vornimmt, über den farbigen und schwarz-weißen Digitaldruck, über die
Weiterverarbeitung, die Klebebindung und Soft- wie Hardcover anbietet,
über die Vertriebsunterstützung mit Barsortiments-Anschluss, Anschluss
an den Internet-Buchhandel, Direct-Marketing, Internet-Präsentationen
bis hin zur Distribution mit Hilfe von Bestellsystemen, der
Warenwirtschaft, dem Versand und einem eigenen Finanz-Service ein
komplettes, sehr professionelles Dienstleistungskonzept an –
ausführliche Details finden sich auf der Internet-Präsenz des
Unternehmens unter www.bmod.de.
Vergleicht man
allerdings die Internet-Auftritte der ungleichen Konkurrenten
www.bod.de und www.bmod.de, so wird man unschwer schon auf den ersten
Blick Unterschiede ausmachen können. Der eher nüchterne,
geschäftsmäßig-trockene Charakter der Website des mächtigen
Bertelsmann-Ablegers verblasst regelrecht angesichts der Engagement und
Lebendigkeit ausstrahlenden Website der Norderstedter Books on Demand
GmbH und lässt den Eindruck aufkommen, dass in Gütersloh ein Markt mal
eben so en passant mitgenommen werden soll. Angesichts einer sich immer
stärker differenzierenden Kundschaft mit stetig wachsender
Internetkompetenz und steigenden Ansprüchen in Bezug auf persönliche
Ansprache und Individualität jedoch dürfen zumindest Zweifel angemeldet
werden, ob ein Standard-Internet-Auftritt wie der von Bertelsmann Media
on Demand die richtige Antwort auf einen Markt ist, der ja auch und
gerade antritt, das Bedürfnis nach Individualität des Kunden zu
befriedigen.
4. www.t-online.de
Mit einer ganz
neuen Idee hat unlängst das Unternehmen T-Online das Thema BoD
bereichert: dem T-Online-Fotobuch. Es wird über den Service-Bereich der
Website von T-Online vermarktet und bietet neben einem
Online-Bestellservice kostenlose Bildbearbeitungssoftware mit recht
einfacher Handhabung sowie einen Warenkorb-Service an. Auf der
Service-Seite von T-Online (25) konnte man folgende Angebote lesen:
„Fotobuch klein,
Abmessungen: ca. 10,5x14,8 cm, Anzahl Seiten: 26 – 30, Ihre Fotos im
Digitaldruck, Umschlag: Hardcover – Preis: 9,95 Euro
Fotobuch mittel,
Abmessungen: ca. 21x21 cm, Anzahl Seiten: 26 – 50, 51 – 76 oder 77 –
100, Ihre Fotos im Digitaldruck, Umschlag: Hardcover – Preis: ab 19,95
Euro
Fotobuch groß,
Abmessungen: ca. 21x29,7 cm, Anzahl Seiten: 26 – 50, 51 – 76 oder 77 –
100, Ihre Fotos im Digitaldruck, Umschlag: Hardcover – Preis: ab 24,95
Euro.
Eine
Beispielrechnung am Fuß der Website läßt erahnen, welche Möglichkeiten
in diesem Angebot stecken: „Beispiel-Rechnung: Ein Fotobuch mit 100
Seiten und 16 Fotos pro Seite bietet Platz für insgesamt 1600 Fotos.
Das entspricht einem Fotopreis von 0,02 Euro beim mittleren Fotobuch
für 29,95 Euro oder beim großen Fotobuch für 39,95 Euro.“
Die Chancen
beispielsweise für Spezialfirmen, Antiquariate, Antiquitätenhändler
oder eBay-Seller, ihre speziellen und oft sehr individuellen Produkte
auf diese Weise preisgünstig als farbigen Katalog zu präsentieren, sind
enorm.
Die oben
angeführten Unternehmen mit ihren Geschäftsmodellen im Bereich BoD
sollen beispielhaft einen kleinen Einblick in die vielfältigen
Nutzungsmöglichkeiten und Chancen geben, die sich auf diesem Feld
bieten. Beinahe täglich kommen neue Ideen auf den Markt. Immer mehr
Betriebe des grafischen Gewerbes, der Medienindustrie und im
Verlagswesen entdecken den Zukunftsmarkt des Digitaldrucks, des Print
on Demand und damit auch des Book on Demand für sich und beweisen
Initiative und Kreativität, um für ihre Kunden neue Produkte zu
generieren.
b. Kundenkreis
des Individualbuches
Vor der Einführung
einer neuen Technologie stellt sich immer zunächst die Frage, für
welche Zielgruppen ein solches Angebot interessant wäre. Eine
Investition in Zeit, Geld und notwendiges Knowhow, wie sie im
Digitaldruck unbestreitbar in großem Umfang notwendig ist, bedarf einer
möglichst genauen vorherigen Analyse des Marktes. Darum soll hier ein
Überblick in mögliche Märkte folgen, der naturgemäß nicht vollständig
sein kann – zum einen, weil dies den Umfang der vorliegenden
Technikerarbeit sprengen würde, und zum anderen, weil beinahe täglich
neue Ideen entwickelt werden, wie das vorgenannte, sehr aktuelle,
Beispiel von T-Online belegen mag.
Schaut man sich
allein zunächst den Bedarf für das sogenannte „Individualbuch“ an, also
für ein Buch, dessen auf, wahlweise verschiedenen, Datenbanken
vorhandener medienneutraler Content speziell für den Kunden
zusammengestellt und gedruckt wird, sobald dieser den Inhalt ausgewählt
und bestellt hat, so fallen unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten
eines solchen Angebotes ins Auge.
1. Verlage
Von den Vorteilen
für Verlage war weiter vorne schon ansatzweise die Rede. Der
Vollständigkeit halber seien sie hier noch mal zusammengefasst
angeführt: Book on Demand bietet für Verlage gerade im Bereich von
Vorauflagen eine Minderung von Vorfinanzierungs- und
Investitionsrisiken auf einem immer schwerer einschätzbaren Markt sowie
bei Reprints und Nachauflagen keine oder geringere Lagerkosten für
nicht verkaufte Auflagen und zugleich eine Vergrößerung des Angebots
ständig lieferbarer Bücher.
2. Bildungssektor
Eine Vernetzung
medienneutraler Datenbanken von Verlagen und Institutionen sowie eine
intelligente Planung des tatsächlich benötigten, weil wirklich
eingesetzten Unterrichtsmaterials könnte sowohl die Kosten für das
Bildungswesen als auch die Portemonaies von Eltern entscheidend
entlasten. Book on Demand bietet hier die adäquate Lösung – individuell
und bedarfsgerecht. Denn - könnten nicht die in frühen Kinderjahren
durch kiloschwere Schulranzen unnötig belasteten und zum Teil bleibend
verformten Wirbelsäulen vermieden werden, wenn statt einem halben
Dutzend Büchern nur eines mit in die Schule zu schleppen wäre? Welcher
Schüler kennt nicht die trotz des Kaufs teurer Schulbücher zunehmende
Flut von Fotokopien im Unterricht?
3. Aus- und
Weiterbildung
Der
Ausbildungsmarkt ist unter dem Vorzeichen des „lebenslangen Lernens“
ein beständig wachsender Markt. Seminar-Unterlagen, weiterführende
Literatur und Informationen, zu einem speziell zugeschnittenen Thema
zusammengestellt, sind mit Book on Demand problemlos und schnell
realisierbar.
4. Unternehmen
Bedenkt man den für
ein Unternehmen vorher oft schwer einzuschätzenden Bedarf für
Handbücher neu erscheinender Software oder Bedienungsanleitungen für
neue Produkte, womöglich in verschiedenen Sprachen und Ausführungen, so
kann BoD einen Ausweg bieten aus Unwägbarkeiten im Bereich z. B. von
Druck- und Lagerkosten, Vorratshaltung und damit verbundenem Raumbedarf
etc.. Auch die innerbetriebliche Kommunikation innerhalb von
Unternehmen lässt sich auf diese Weise dokumentieren – bedenkt man
beispielsweise die ungeheuren Mengen an Aktenordnern im Falle von
Qualitätsmanagements- und Zertifizierungsprozessen, die in großen
Firmen auf einzelne Unternehmensteile oder gar Abteilungen
„heruntergebrochen“ werden müssen. Jubiläumsschriften für Unternehmen
oder verdiente Mitarbeiter in Buchform sind weitere denkbare
Einsatzmöglichkeiten von BoD.
5. Freizeit &
Hobby
Im schier
unüberschaubaren Fach- und Hobby-Bereich ist es durchaus vorstellbar,
ein Buch ganz speziell auf die Interessen des Kunden auszurichten und
nach seinen Wünschen zu produzieren. Wem ging es nicht schon einmal so,
dass er ein Buch lediglich wegen einiger Passagen oder Kapitel kaufte,
während der ganze Rest eher uninteressant erschien? Man muss nicht ein
Werk über alle Surrealisten des 20. Jahrhunderts kaufen, wenn man sich
nur für Rene Magritte interessiert – und auch nicht alle Bücher über
diesen Maler, wenn man sich nur über ganz bestimmte Aspekte seines
Lebens oder Schaffens informieren möchte, die vielleicht in
verschiedenen Werken verteilt sind. Eine Zusammenstellung von Kapiteln
verschiedener Bücher, die Hinzufügung von Aufsätzen und
Zeitungsartikeln oder Vorträgen, die Auswahl von Bildern oder
Ausschnitten davon – und das alles in einem Buch: diese Möglichkeiten
bietet BoD. In diesem Zusammenhang sollte man auch den Touristik- und
Reisebuch-Markt nicht außer acht lassen: die Produktion eines
individuellen Reiseführers mit speziell auf die angebotene Reise
zugeschnittenen Informationen, Karten und Bildern könnte sich als
durchaus wirksames Marketing-Instrument erweisen.
Vermutlich wird es
nicht mehr lange dauern, bis eine der großen Buchhandelsketten wie
Gondrom oder Hugendubel dazu übergehen wird, sich eine
Digitaldruckmaschine zur Produktion von Individualbüchern in den Keller
zu stellen – es sei denn, findige Druckereibesitzer mieten sich im
Laden nebenan ein und bieten diesen Service und damit ihre
Fachkompetenz selbst an für die örtlichen Buchhandlungen.
Wenn sich die
Geschäftsidee mit Datenbank-übergreifendem, zusammenstellbarem Content
durchsetzt, werden auch Recherche- und Suchagenturen ein mögliches
Geschäftsfeld sein, das mit Expertenwissen und technischem Knowhow das
mühsame Zusammenstellen passender Inhalte für den Kunden übernehmen
wird. Daraus lassen sich durchaus Synergie-Effekte erzeugen. Denn wer
weiß, welcher Kunde welche Interessen und Bedürfnisse hat, kann ihm
auch andere individuelle Produkte und Dienstleistungen anbieten.
6.
Problemstellungen des Individualbuches:
Inwieweit das
Individualbuch seine Möglichkeiten in der Zukunft entfalten kann, wird
davon abhängen, wie sich die monetären Bewertungsmöglichkeiten und die
Verfügbarkeit von Content entwickelt. Information ist, selbst in Zeiten
des Internets, nicht umsonst – schon gar nicht, wenn sie kommerziell
genutzt wird. Auch von der Schaffung einfacher und sicherer und vom
Kunden angenommener Mikro-Payment-Verfahren, der finanziellen
Abrechnung vieler einzelner Informationsquellen zur Erstellung eines
Produktes und von der Organisation der Klärung von
Urheberschaftsrechten hängt die Größe des Erfolgs des Individualbuches
ab (nebenbei sei darauf hingewiesen, dass im Internet-Handel mit
Informationen diese bereits oft nur noch gegen Entgelt online abgerufen
werden können – prominente Beispiele sind Artikel des „Spiegel“ sowie
Artikel und Testergebnisse der „Stiftung Warentest“).
Weitere Aspekte
sind beim Individualbuch zu berücksichtigen: die Identifikation mit
„Gleichgesinnten“ über das Medium Buch als „Marke“ fällt weitgehend
weg, da sich diese Bücher im Zweifel ja stark voneinander
unterscheiden. Außerdem besteht ein weit größerer Abstand zwischen der
Kaufentscheidung und der Verfügbarkeit als beim konventionellen Produkt
Buch, da die Produktion ja erst nach der Bestellung erfolgt. Die
Bewertung der Qualität und der Relevanz des ausgewählten Inhalts hängt
vollkommen von der Kompetenz des Kunden ab, da Marktvergleiche und
Bewertungen wie beispielsweise Literatur- und Expertenkritiken
naturgemäß entfallen.
c. Autoren
Die Rolle der
Autoren ist hier gesondert aufgeführt, da sie zum einen im Gegensatz zu
den vorgenannten Kundengruppen die geistigen Inhalte ihrer Bücher
selber schaffen und dadurch andere Ansprüche und Erwartungen an Book on
Demand stellen sowie zum anderen eine spezielle Rolle im Markt
einnehmen, da sie sowohl potentielle Kunden von Book on Demand als
auch, durch ihr Werk, selbst Anbieter bzw. Produzenten sind – also
Verleger in eigener Sache. Bei der Analyse des für Book on Demand in
Frage kommenden Autoren-Marktes lässt sich folgende Gliederung schaffen:
1. Wissenschafts-
und Fachautoren
Autoren im Bereich
wissenschaftlicher Publikationen erfahren durch Book on Demand neue
Wege der Veröffentlichung ihrer Werke wie beispielsweise von
Diplom-Arbeiten, Dissertationen oder der Publikation neuer Thesen und
Forschungsergebnisse.
2. Kulturschaffende
Schriftsteller,
Dichter sowie alle, die gemeinhin unter dem Begriff Kunstschaffende
zusammenzufassen sind und über das Medium Buch kommunizieren, finden
über BoD die Möglichkeit zu publizieren, ohne davon abhängig zu sein,
ob es ihnen gelingt, einen Verlag zu finden. Dass neue Autoren es in
Zeiten wirtschaftlicher Flaute wesentlich schwerer haben als ihre
arivierten Kollegen, wurde in der Einleitung ja schon erwähnt. Verlage
neigen aus ökonomischer Sicht verständlicherweise dazu, ihre Risiken in
Zeiten immer geringer werdender Gewinnmargen zu reduzieren und
stattdessen nach Möglichkeit die Bedürfnisse eines schon bestehenden
Marktes zu befriedigen – was mit der Vermarktung bekannter Namen,
aktueller Themen, Ereignisse und Moden selbstverständlich sicherer der
Fall ist. Andererseits bietet sich unbekannten Autoren mit
Marketing-Geschick durchaus die Möglichkeit, ihr Buchprodukt
gewinnbringender zu vermarkten, als ihnen das über einen Verlag möglich
wäre. Denn gerade neuen und unerfahrenen Autoren werden oft Verträge
vorgelegt, durch die sie durch ihre Unterschrift und gegen Zahlung
eines meist eher geringen Geldbetrages alle Verwertungsrechte an ihrem
Werk an den Verlag abgeben. Im Gegensatz dazu hat man im „Selbstverlag“
über BoD die Chance, durch den Verkauf einer recht geringen Anzahl von
Büchern die Investitionssumme bald zu erwirtschaften und danach den
selbst festgelegten Gewinn je Buch auch selbst einzunehmen – zudem
bleiben alle Rechte im Besitz des Autoren.
3. Kooperationen
Schriftsteller von
Kurzgeschichten oder Verfasser von Gedichten haben mit Hilfe von Book
on Demand die Möglichkeit, ihre vielleicht nicht sehr zahlreichen oder
mitunter einem Massenpublikum eher schwer verkäuflichen Werke
kostengünstig über ein Künstler-Gemeinschaftsprojekt zu verwirklichen.
4. Freizeit-Autoren
Auch für Hobby-
oder Regionalhistoriker und –biografen beispielsweise, die lediglich
für einen begrenzten Kreis möglicher Interessenten arbeiten, kann BoD
durchaus ein gangbarer Weg sein, wenn regionale Buchhandlungen ein
solches Projekt unterstützen und Regionalzeitungen darüber berichten.
Verfasser von
Familienchroniken, Hobby-Schriftsteller und solche, die es gerne werden
möchten oder sein würden sowie diejenigen, denen nach der Zeugung eines
Sohnes, dem Bau des Hauses und dem Pflanzen eines Baumes nun nur noch
das eigene Buch zum Glück fehlt, gehören ebenfalls zu denen, die die
Dienstleistung des Book on Demand in Anspruch nehmen können (was in der
Fachbranche bisweilen etwas abschätzig als „Vanity Press“ bezeichnet
wird – gemeint sind Publikationen, die vor allem der Befriedigung der
eigenen Eitelkeit dienen).
d. Recht
Nur am Rande
angeschnitten werden können im Rahmen dieser Arbeit hier die
rechtlichen Bedingungen, die im Zusammenhang mit Book on Demand berührt
werden. Dies umfasst zum einen das Verlagsrecht und das Vertragsrecht
sowie das Urheberschaftsrecht wie auch das Verwertungsrecht und sich
daraus ergebende Fragen der Abrechnung von finanziellen Ansprüchen von
Buchhandlungen, Verlagen und Autoren untereinander. Angesprochen werden
müssen in diesem Zusammenhang aber auch Urheberpersönlichkeitsrechte.
Das scheint gerade in der Diskussion um die Möglichkeiten des
Individualbuches von nicht geringer Bedeutung - man stelle sich
beispielsweise vor, ein Autor fände sich in einem Individualbuch
ungefragt in einem Kontext wieder, der der Intention des Werkes oder
des Autors zuwiderliefe.
IV. Fazit
a.
Zukunftsaussichten
Der Digitaldruck –
und mit ihm Book on Demand – ist, vor wenigen Jahren erst aus der Taufe
gehoben, inzwischen mitten in seinen Sturm-und-Drang-Jahren. Die
Möglichkeiten sowohl bestehender wie auch die Chance zur Schaffung
neuer Geschäftsmodelle sind erfolgversprechend. Durch ihren enormen
Kompetenzvorsprung bietet sich der Druck- und Medienindustrie sowie den
Verlagen die Gelegenheit, der Wirtschaft und dem Konsumenten mit Book
on Demand innovative Dienstleistungen und Produkte anzubieten, wenn sie
den Mut haben, die anstehenden Herausforderungen der unweigerlichen
Veränderungen der Ansprüche der Märkte und des Kundenverhaltens durch
Investitionen in neue Technologien, in das damit verbundene benötigte
Knowhow im eigenen Unternehmen, durch notwendige Strukturanpassungen
und durch neue Geschäftsideen anzunehmen. Dass das der Druck- und
Medienindustrie immer wieder, wenn auch nicht immer (man denke z. B.
nur an das flächendeckende Entstehen von Werbeagenturen, an nicht
genutzte Datenbankerfahrung oder die Chancen des Internets),
erfolgreich gelungen ist, spricht für diese Branche, die in enger
Zusammenarbeit mit Herstellern und Produktentwicklern wie kaum eine
andere neue Technologien mit als erste zu nutzen und weiterzuentwickeln
verstand.
b. Umdenken
Grundsätzlich
wichtig scheint ein Umdenken der Branche weg von einer Orientierung an
der Art der Informationsproduktion hin zur Arbeit mit der Information
selbst – ganz gleich, auf welchem Wege sie in Produkte umgewandelt
wird. So äußerte sich beispielsweise Jörg Hesser vom Unternehmen
Daimler-Chrysler während seines Vortrages „Mass Customization in der
Automobilindustrie“ im Rahmen des Digitaldruck-Symposiums, das am 21.
März 2005 von der Johannes-Gutenberg-Schule in Stuttgart ausgerichtet
wurde. Sinngemäß meinte er, dass es ihm als Kunden vollkommen egal sei,
wie ein Produkt entstehe, sondern dass es entscheidend darauf ankomme,
dass das Produkt in der geforderten Qualität zum richtigen Zeitpunkt in
ausreichender Menge zur Verfügung stehe (26).
c. Book on
Demand im Druck
Die Aussagen
darüber, wann im Vergleich des Digitaldrucks zu anderen Druckverfahren
der Break-even-Point bei Book on Demand erreicht sei, schwanken leicht:
sie variieren bei einer Auflage von 700 – unter 1000 Stück Auflage. Und
die Weiterentwicklung digitaler Druckmaschinen schreitet rasant voran.
So bieten aktuell beispielsweise die Nexpress 2100 optional ein fünftes
Farbwerk, die Indigo Press 5000 von HP bis zu sieben Farbwerke und die
Xeikon 5000 gar bis zu zehn Farbwerke (27). Und auch die Druckqualität
sowie die Geschwindigkeit der Digitaldruck-Maschinen steigt stetig an.
Dennoch muss man sehen, dass diese neue Technologie sowohl von der
Qualität her wie auch von der Auflagenhöhe her gesehen ihre Grenzen hat
und zur Zeit noch in der Regel nur ein zusätzliches mögliches
ökonomisches Standbein in Kombination mit anderen Druckverfahren für
eine Druckerei sein wird.
d. Verlage &
Autoren
Für Verlage wie
auch für Autoren bedeutet Book on Demand den Einstieg in einen Umbruch
ihrer Beziehungen zueinander wie auch ihrer jeweiligen Stellung auf dem
Markt. Autoren werden durch BoD im Zweifel unabhängiger vom Wohlwollen
eines Verlages und erhalten mehr Einfluss auf Inhalt und Aussehen ihres
Werkes. Andererseits steigt die Eigenverantwortlichkeit der Autoren,
der persönliche Einsatz für ihr Werk und ihr unternehmerisches Risiko.
Zudem fällt die Betreuung des Autors durch einen Verlag mit Lektoriats-
und Layoutdiensten, Promotion, mit gewachsenen Verlagsbeziehungen zu
den einschlägigen Medien und andere Vorzüge weg – oder muss als
Dienstleistung eingekauft werden.
e. Gesellschaft
Die Gesellschaft
kann von Book on Demand in verschiedener Hinsicht profitieren. Zum
einen ergeben sich Chancen beispielsweise zur Senkung der Ausgaben für
Lehrbücher, was sowohl Schulen als auch Familien mit Kindern erfreuen
wird. Zum anderen wird das Wissen unserer Zeit neuen, langfristig
dokumentierbaren Zuwachs erhalten – zumindest in Bereichen, die bislang
für den Buchmarkt ökonomisch uninteressant waren. In einer Zeit, die
von Globalisierung und gleichzeitiger Individualisierung der
Gesellschaften geprägt ist, gibt es nicht wenige Stimmen, die dem Bezug
auf das Regionale einen Aufschwung prophezeien. Autoren, die sich
diesem Thema in vielfältiger Weise widmen, werden dadurch sicher neue
Chancen haben, ihr Werk einem neuen Kundenkreis anzubieten. Aber auch
Schriftsteller, die unbequeme oder schwer verdauliche Kost liefern, die
eine Minderheitenansicht vertreten oder bei Verlag oder Publikum „in
Ungnade gefallen sind“, haben mit Book on Demand die Möglichkeit, ihre
Arbeiten zu produzieren und zu publizieren. Damit leistet BoD einen
wichtigen Beitrag zur Pluralität der Meinungsbildung in der
Gesellschaft und eröffnet ihr neue Wissens- und Erfahrungsquellen.